Telemedizin – digitale Sprechstunde Präsenz gleichgesetzt

Die Nutzung von Videosprechstunden ist im vergangenen Jahr beachtlich gestiegen: Im zweiten Quartal 2020 wurden rund 1,2 Mio. Online-Konsultationen durchgeführt. Im gesamten Jahr 2019 waren es gerade einmal 3.000(1). Das zeigt: Telemedizinische Angebote entsprechen dem aktuellen, gesellschaftlichen Bedarf an eine moderne medizinische Versorgung. Um die Nutzung von Telemedizin für Ärztinnen und Ärzte einfacher und wirtschaftlicher zu gestalten und den Versorgungsbereich nachhaltig zu stärken, sind rechtliche sowie strukturelle Anpassungen notwendig. Der Kabinettsentwurf des Gesetzes zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) sieht einige Neuregelungen zur Telemedizin vor.

1. Einfachere Abrechnung von Videosprechstunden ermöglichenLaut Kabinettsentwurf des DVPMG sollen durch den Bewertungsausschuss Regelungen geschaffen werden, die Videosprechstunden zwar in einem weiten Umfang ermöglichen (§ 87 Abs. 2a S. 17 SGB V-E). Gleichzeitig soll aber die Anzahl der Leistungen und der Fälle, die telemedizinisch behandelt werden dürfen, auf 30 Prozent am Gesamtanteil der Leistungen und Behandlungen begrenzt werden. Die Abrechnung von Videosprechstunden ist mit den aktuellen Regelungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) zudem unnötig kompliziert gestaltet: Eine Mischung aus Grund-, Versicherten- und Konsiliarpauschalen, extra Ziffern für zusätzliche Leistungen und verschiedensten Zuschlägen gestaltet die Abrechnung derart umständlich, dass die Nutzung einer Videosprechstunde damit für Ärztinnen und Ärzte unattraktiver wird. Um eine weitreichende Nutzung durch Vertragsärztinnen und -ärzte zu erleichtern, sind die Abrechnungsmodalitäten für Videosprechstunden dringend zu vereinfachen und praxisnäher auszurichten

2. Gleichwertige Vergütung für Videosprechstunden und Sprechstunden vor OrtAktuell müssen Vertragsärztinnen und -ärzte je nach Fachgruppe bis zu 30 Prozent Abschläge auf die Grund-, Versicherten- und Konsiliarpauschalen für Videosprechstunden hinnehmen. Somit werden digitale Sprechstunden gegenüber physischen Sprechstunden deutlich benachteiligt. Eine weitere Benachteiligung erfolgt über die Begrenzung der abrechenbaren Videosprechstunden auf höchstens 30 Prozent aller Behandlungsfälle pro Quartal. Diese Regelungen stellen unnötige Barrieren für die Durchführung von Videosprechstunden dar und stehen im Widerspruch zu einer modernen Versorgungspraxis. Sowohl die Abschläge als auch die prozentuale Begrenzung sind daher aufzuheben.

3. Monopolstellung durch zentrales Vermittlungsportal telemedizinischer Termine vermeidenDie im DVPMG vorgesehene Errichtung eines zentralen, bundesweiten elektronischen Portals der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur Vermittlung von Videosprechstunden an Patientinnen und Patienten kann zu einer Monopolstellung führen, die bestehende Telemedizinanbieter wirtschaftliche benachteiligen würde. Versicherte haben bereits heute die Möglichkeit, über einen der zahlreichen, online leicht auffindbaren Telemedizinanbieter innerhalb weniger Minuten einen Termin für eine Videosprechstunde vermittelt zu bekommen. Die Einrichtung eines zusätzlichen Vermittlungsportals ist damit unnötig. Mindestens aber ist bei Errichtung eines zentralen Portals dafür zu sorgen, dass alle bestehenden Telemedizinanbieter ihre Dienste unmittelbar und schlank in das Portal integrieren können, beispielsweise über offene Schnittstellen. Es muss gewährleistet sein, dass alle Anbieter dort automatisiert, freiwillig und ohne zusätzliche Gebühren Termine für Videosprechstunden anbieten können. 

4. Videosprechstunden außerhalb vertragsärztlicher Betriebsstätten ermöglichenVideosprechstunden sind eine moderne Möglichkeit, mit der Patientinnen und Patienten auch über eine örtliche Distanz hinweg eine qualifizierte, medizinische Beratung wahrnehmen können. Auch Ärztinnen und Ärzten ist zeitnah eine flexibilisierte Durchführung ihrer telemedizinischen Angebote zu ermöglichen. Die aktuell geltende rechtliche Beschränkung der Durchführung von Videosprechstunden auf von den Kassenärztlichen Vereinigungen autorisierte Nebenbetriebsstätten ist aufzuheben. Vielmehr ist Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit einzuräumen, unter Einhaltung der rechtlichen Vorgaben des Bundesmantelvertrags für Ärzte, weitere Orte zu wählen, von dem aus eine Videosprechstunde durchgeführt werden kann, beispielweise den eigenen Wohnsitz (“Home Office”).Eine Anpassung der rechtlichen Grundlagen für telemedizinische Leistungen ist ein wichtiges Signal an Ärztinnen und Ärzte, dass moderne und digitale Prozesse in der täglichen Versorgungspraxis gewünscht sind. Damit Videosprechstunden im ärztlichen Alltag intuitiver und wirtschaftlicher genutzt werden können, sind nun die entsprechenden Neuregelungen für Abrechnung, Vergütung und Durchführung dieses zukunftsweisenden Leistungsbereichs zu schaffen.

Ein Beispiel für eine Online-Videosprechstunde ist die Doccura-Plattform von Professor Dr. Siegfried Jedamzik, Professor für Telemedizin an der FH Deggendorf.

Ramona Schittenhelm

Ausbildung als Journalistin im Berchtesgadener Land. Lokal- und Online-Journalismus sind meine Leidenschaft. Meine journalistischen Wurzeln liegen im Sport- und Technik-Journalismus.

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